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Gegen den Stress mit TRE®

Interview mit Cordula Paar

TRE® (Tension and Trauma Releasing Exercises) ist eine Methode, die eine posttraumatische Belastungsstörung oder Anspannungen mindern oder lösen kann. Mittlerweile ist TRE® auch eine beliebte Strategie zur Stressbewältigung, da sie uns in einen Zustand der Entspannung und Ausgeglichenheit versetzt.

Cordula Paar verrät im Interview, was es mit dem neurogenen Zittern auf sich hat, teilt ihre persönlichen Erfahrungen mit uns und erzählt, wie sie mit Belastungen umgeht, seit sie TRE® kennt. Infos zur Methode findest du auch in unserem Artikel TRE©.

TRE-Providerin Cordula Paar

Fragen an die Expertin

Cordula Paar im Interview

Cordula Paar ist zertifizierte TRE®-Providerin und vermittelt die Methode in Einzel- oder Gruppenunterricht an Interessierte. Sie selbst stieß 2016 auf TRE® und ist seither überzeugt von der Methode.

Hier kannst du Kontakt zu Cordula aufnehmen: https://www.tre-koeln.de/

Cordula, wie bist du auf die TRE®-Methode aufmerksam geworden?

C.P.: Durch einen Radiobeitrag Ende 2016 im WDR 5 bin ich auf TRE® aufmerksam geworden. Die Schilderungen der  positiven Auswirkungen von TRE® selbst bei schwer traumatisierten Menschen haben mich so fasziniert, dass ich mich über YouTube-Beiträge direkt schlau gemacht und es sofort selber ausprobiert habe. Es hat auch direkt funktioniert, aber ich war mir nicht sicher, ob ich denn „richtig zittern“ würde.

So habe ich noch bei einer TRE®-Providerin eine professionelle TRE®-Einführung gemacht, was ich sehr empfehlen möchte.

Seit diesem einen Termin gehört das neurogene Zittern, das TRE® auslöst, zu meinem Leben wie waschen, Zähne putzen, schlafen, bewegen, lecker kochen, Freunde treffen, arbeiten … Es ist einfach ein selbstverständlicher Teil meines Alltags geworden.

Was fasziniert dich am meisten an TRE®?

C.P.: Am meisten fasziniert mich die Einfachheit der Methode verknüpft mit der unglaublich schnellen und tiefgreifenden Wirkung. Außerdem benötigt man nichts an besonderer Ausstattung, um es zu praktizieren, außer sich selber. Es bedarf keiner besonderen Kleidung, keiner besonderen Umgebung, da man es mit ein wenig Übung auf jeder Unterlage im Stehen, Liegen oder auch Sitzen praktizieren kann. Und mit wirklich wenig Übung, viele beherrschen es schon nach der ersten Einführung,  kann man lernen innerhalb von max. 15 Minuten in eine sehr tiefe Entspannung zu kommen.

powerful:me: TRE®  steht für Tension and Trauma Releasing Excercises und wird zur Regulation nach stressigen und sogar traumatischen Erlebnissen eingesetzt.

Wie genau wirken TRE® -Übungen gegen Belastungen dieser Art?

C.P.: Um das zu erläutern muss ich ein wenig ausholen. Bei starkem Stress oder einem traumatischen Erlebnis zieht sich die Psoasmuskulatur, die aus zwei großen Muskelsträngen besteht und im Becken liegt, automatisch zusammen. Das passiert zum Schutz unserer Körpermitte, in der sich unsere lebenswichtigen Organe befinden.

Gleichzeitig steht uns eine unheimliche Energie zur Verfügung, die uns ermöglicht entweder in die Gegenwehr/ Kampf zu gehen oder so schnell wie möglich davonzurennen.

Damit würden wir die große Anspannung, die sich in der Psoasmuskulatur in der Stresssituation speichert, lösen und wir kämen wieder ins Gleichgewicht und könnten zurück in die Entspannung kommen.

Hierfür ein Beispiel:

Stell dir eine heftige Streitsituation z.B. mit einer Chefin/ einem Chef vor. Dein Körper spannt sich im Stress total an, du würdest ihr oder ihm am liebsten eins in die Fresse (pardon) hauen oder schreiend davonrennen. Beides nicht sehr gesellschaftsfähig, also hältst du sowohl deine Emotionen als auch deine körperliche Reaktion zurück.

Was passiert also? Die Anspannung im Körper entlädt sich nicht und speichert sich dabei sehr stark in dieser wichtigen zentralen Psoasmuskulatur, sofern der Konflikt nicht gelöst wird.

Du kochst innerlich, wenn du nach Hause gehst, dein Blutdruck ist evtl. die ganze Zeit zu hoch, du kannst an nichts anderes mehr denken und womöglich schläfst du schlecht. Und das vielleicht nicht nur einen Tag, sondern länger.

Um aus dieser Daueranspannung wieder in die Entspannung/ Regulation zu kommen, steht uns natürlicherweise die Möglichkeit des neurogenen, unwillkürlichen Zitterns zur Verfügung. Und eigentlich haben sicherlich viele, wenn nicht alle Menschen schon mal eine Situation erlebt, in der sie unwillkürlich gezittert haben: z.B. beim Sport, wenn die Muskeln vor Anstrengung anfangen zu flattern, oder auch vor Angst, aber auch vor Freude, oder beim Einschlafen, wenn der Körper nochmal kurz zusammenzuckt, bevor er einschlafen kann.

Der Unterschied beim TRE® ist, dass wir dieses Zittern willkürlich hervorrufen und es dann durch den Körper laufen lassen und somit bringen wir den Organismus auf sehr einfache Art und Weise zurück in die Entspannung / Regulation.

Lachyoga in der Gruppe!

powerful:me: Erfolgt die Reduktion der Anspannung, die durch Stress und Traumata entstanden ist, unmittelbar nach dem neurogenen Zittern, das die Übungen hervorrufen?

Oder ist eine regelmäßige Wiederholung der Übungen notwendig, um eine Verbesserung zu spüren?

C.P.: Die Reduktion der Anspannung erfolgt in der Regel schon während des ersten Zitterprozesses. Die meisten meiner Klienten, die es zum ersten Mal praktizieren, genießen den Prozess, merken wie sie innerlich sehr einfach, ohne große Anstrengung entspannen. Meist beruhigt sich auch die Atmung, sie fließt weicher durch den Körper und ich habe nicht wenige Klienten, die nach der ersten Sitzung aussehen, als kämen sie frisch aus einem sehr erholsamen Kurzurlaub.

Die Wirkung kann gerade beim ersten Mal umwerfend sein! (C.P.)

C.P.: Trotzdem ist TRE® wie jede wohltuende Körperübung etwas, das dann nach Lust und Laune, am besten natürlich regelmäßig zumindest 2 x pro Woche in den Alltag integriert werden sollte, um eine tiefgreifendere Wirkung zu entfalten.

powerful:me: Besonders, wenn wir lange keinen Sport getrieben haben, ist Zittern ein fester Bestandteil von Dehn- und Anspannungsübungen.

Gibt es einen Unterschied zwischen normalen Sportübungen, die ein solches Zittern hervorrufen und eigens für TRE® konzipierten Übungsabfolgen?

C.P.: Das unwillkürliche Zittern ist das Gleiche, egal es ob durch die TRE®-Übungen oder durch Sport ausgelöst wird. Der Körper reagiert einfach auf die Anspannung und will sich  „frei zittern“.

Allerdings sind die TRE®-Vorübungen so konzipiert, dass die zentrale Psoasmuskulatur, wie oben beschrieben, anfängt zu vibrieren und sich von da aus im Idealfall das Zittern in den ganzen Körper ausbreitet.

powerful:me: Die Konfrontation mit traumatisierenden Erlebnissen oder einer hohen Stressbelastung lassen sich leider nicht immer vermeiden.

Wie kann man sich deiner Meinung nach davor schützen, erneut körperliche Anspannungen und Blockaden zu entwickeln?

C.P.: Ich rate zu einer regelmäßigen TRE®-Praxis, da man damit nicht nur aktuelle Stressreaktionen abbaut, sondern auch alte Stressreaktionen an die Wäsche geht, sodass man insgesamt entspannter und ausgeglichener ist und auf neue Stressoren oft weniger heftig reagiert.  Außerdem hat man mit TRE® gerade bei akuten Belastungen ein sofort wirksames Instrument zur Hand. Die Selbstwirksamkeit steigt damit sehr und man fühlt sich weniger solchen Momenten ausgeliefert.

TRE-Providerin Cordula Paar

Kann TRE® Emotionen freisetzen? Und wenn ja, wie ist die Verbindung zwischen psychischer und physischer Reaktion?

C.P.: Meiner Erfahrung und Wissens nach passiert das ausgesprochen selten, sofern man sich an die Vorgabe hält es mit der TRE®-Praxis nicht zu übertreiben. D.h. gerade Anfänger sollten es eher nur jeden 2. Tag praktizieren und auch nicht länger als eine Viertelstunde.

Das Gute beim TRE® ist, dass die Psyche eigentlich bewusst umgangen wird. Dr. David Berceli, der diese Methode begründet hat, hat sie ursprünglich für schwer traumatisierte Menschen als Selbsthilfeinstrument entwickelt, die natürlich vor Flashbacks etc. unbedingt geschützt werden müssen!

Bei den meisten TRE®-Prozessen fühlt man quasi nichts, sondern beobachtet nur neugierig diesen unwillkürlichen Zitterprozess des Körpers.

Ich erlebe es in meinen eigenen TRE® -Prozessen, wie auch in denen meiner Klienten, häufig wie ein „Urlaub von der Seele“, da man meist nur entspannt, ohne an etwas bestimmtes zu denken.

Man ist eins mit dem Körper, der das Zepter dabei in Hand hält, ist aber die ganze Zeit im Kontakt mit der Außenwelt. Man driftet dabei bewusst nicht ab.

Wenn es doch zur Freisetzung von Emotionen kommt, dadurch dass der „Körperpanzer“ vorsichtig geknackt wird, schaut man einerseits, ob es einfach ok ist, dass sie hochkommen und man sie sogar als angenehm oder angemessen empfindet, und wenn es  zu viel wird, gibt es klare Handlungsvorgaben wie damit umgegangen werden soll. Deshalb ist gerade bei schwerer belasteten Personen eine Begleitung durch eines erfahrenen TRE®-Providers / -Providerin sehr zu empfehlen. Es gibt übrigens auch ausgebildete Therapeuten, die TRE® anbieten, dort sollte ein schwer traumatisierter Mensch gut aufgehoben sein.

Ich selber erlebe bei belasteten Personen sehr häufig positive Emotionen, die hochkommen, sogar bis zu schallendem Gelächter. Davor muss niemand geschützt werden 😉

Es stellt sich häufig eine gesteigerte Lebensfreude auch schon beim ersten TRE®-Prozess ein.

Gehst du persönlich anders mit psychischer Belastung um, seit du TRE® praktizierst?

C.P.: Ganz einfach: ich bin einfach weniger belastet durch die Hilfe von TRE®. Mein ganzes Körper/ Geist/Seelesystem ist in einer größeren Ausgeglichenheit und so stressen mich Situationen einfach weniger und wenn doch, dann habe ich TRE®, um den Stress sofort abzubauen und wieder gut in eine ausgeglichene Grundsituation zu finden.

Ich bin z.B. meine langjährigen Schlafprobleme durch TRE® losgeworden. Und fast immer ausgeschlafen zu sein, ist für mich eins der ganz großen Geschenke!

Auch das macht mich widerstandsfähiger für Stressoren aller Art. TRE® verbessert übrigens sehr häufig den Schlaf.

powerful:me: Bei TRE® müssen wir darauf vertrauen, dass unser Körper in der Lage ist, sich selbst zu heilen – die Psyche miteinbezogen.

Welchen Ratschlag würdest du Menschen geben, bei denen dieses Urvertrauen geschädigt oder in den Hintergrund geraten ist?

C.P.: Probiert TRE® aus!

Und zwar anfangs in einer geschützten Umgebung am besten mit der Anleitung einer TRE®-Providerin, TRE®-Providers. Es kann so eine wertvolle Erfahrung sein zu merken, dass der Körper so eine tolle Ressource für uns bereithält, von der wir nichts geahnt haben. Das fördert sehr die Selbstwirksamkeit, die mit dem fehlenden Urvertrauen leider häufig einhergeht.

Es ist der genetische Code, der in uns allen festgelegt ist und uns auf natürliche Weise durch das Zittern in die Entspannung führen kann.

Wem es unangenehm ist, oder sich vorstellt , dass es unangenehm ist,  beim Zittern betrachtet zu werden, kann es auch über Anleitungen in Büchern oder auf Youtube selber ausprobieren.

TRE® ist nicht für jeden das Richtige. Aber gibt es etwas, was allen Menschen gleichermaßen gut tut und gefällt? Vermutlich nicht.

 Aber ich würde sagen: TRE® ist ein Versuch wert und Spaß macht es einfach auch. Ich schließe mich auch gerne den Worten von David Berceli an: „ I do it every day, it´s fun, it makes me relaxed!“

Hier erfährst du mehr zum Thema TRE®:

Lesenswerte Bücher zum Thema TRE®:

  • „Körperübungen für die Traumaheilung“ von David Berceli.
  • „Neurogenes Zittern“ von Dr. Hildegard Nibel und Kathrin Fischer.

powerful:me: Lieben Dank für das Interview, Cordula!

(Bildnachweis Porträt Cordula Paar: © Thekla Ehling)

Du hast Fragen oder Anregungen? Schreib mir:
info@powerful-me.de

 

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